Im Kern begann die Geschichte der SPD in Ritterhude 1902 mit einer motivierenden Rede des späteren ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert in Burgdamm, in der er die Gründung eines Ortsvereins forderte.
1904 sprach er auch auf einer von gut 200 Personen besuchten Versammlung in Ritterhude. Schließlich beschloss der neue Ortsverein in Burgdamm die Gründung eines Distrikts Ritterhude, der sich dann ab 1906 als eigenständiger Ortsverein etablierte.
Viele Ritterhuder Bürger traten ein, einige kandidierten sogar für die damaligen Gemeindeausschüsse in heutigen Ritterhuder Ortsteilen. Ihr Einfluss blieb zunächst gering, da noch nach Stand und in mehreren Klassen gewählt wurde und nicht mit gleicher Stimmenzahl wie heute. Bei den Gemeindewahlen 1906 schafften es dennoch drei Sozialdemokraten in den Wahlklassen 6 und 7 in den Gemeindeausschuss zu kommen, darunter auch der erste Vorsitzende des neuen SPD-Ortsvereins in Ritterhude Johann Hohorst.

1912 gelang es nach hartem politischen Kampf erstmals eine geheime Wahl zum Gemeindeausschuss durchzusetzen, und neun Sozialdemokraten in den 21 Mitglieder umfassenden Ausschuss zu entsenden. Bekannt aus Archiven ist, dass der Ritterhuder SPD-Ortsverein 1914 bereits 164 Mitglieder hatte, darunter 23 Frauen. Im Ersten Weltkrieg kümmerten sich die im Ort verbliebenen Einwohner vorrangig um die Fürsorge für die Familien. Als nach dem Krieg und der Abdankung des Kaisers 1919 wieder Wahlen – erstmals auch mit dem Wahlrecht für Frauen – zugelassen waren, erreichten die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten 13 (erstmals mit zwei Frauen) von 18 Sitzen – ein beachtlicher Erfolg!
Bürgermeister – damals Gemeindevorsteher genannt – war von 1919 bis 1945 ein Vertreter der Bürgerlichen: Christian Evers. Bis 1933 gab es noch drei Wahlen für einen verkleinerten Gemeindeausschuss mit 12 Mitgliedern – 1924, 1929 und 1933. Zweimal konnten die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten davon sechs Sitze erringen, zuletzt noch fünf.
Bei der letzten Wahl – schon nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – erreichte die NSDAP einen Sitz in der Gemeindevertretung. Schon in der ersten Sitzung des neu gewählten Gremiums begann die Nazidiktatur ihr schreckliches Gesicht zu zeigen: der gewählte Vertreter der KPD durfte wegen des sofortigen Verbotes der Partei nicht mehr an der Sitzung teilnehmen. Sozialdemokratisch gesinnte Anwesende protestierten durch einfaches Sitzenbleiben gegen die vom Gemeindevorsteher vorgenommene Ehrung der Nazi-Reichsregierung. Sie nahmen nicht teil an „Sieg Heil“-Rufen und am Absingen des Horst-Wessel-Liedes, und wurden deshalb des Saales verwiesen.
Später forderte der NSDAP-Vertreter den Ausschluss der SPD-Fraktion aus dem Gemeindeausschuss und hatte damit Erfolg. In den Gemeindeausschuss gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Einwohner wurden als „Giftspritzer“ bezeichnet, die „gründlichst aus der deutschen Kultur zu entfernen seien“. Der Bürgermeister wurde aufgefordert, zwei von ihnen zusätzlich sofort aus ihren öffentlichen Ämtern zu entlassen, da sie „gegen die nationale Regierung Propaganda gemacht“ bzw. u.a. „durch Hissung der roten Parteifahne der SPD“ „grob sittliche, christliche und nationale Grundsätze verletzt“ hätten. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Einsetzung eines Reichskommissars für Ritterhude angedroht. Letztlich verloren auf diese Weise die SPD-Genossen und Ratsmitglieder Friedrich Verholen und Johann Brünjes ihre Ämter bzw. Mandate – ein für unseren Ort einmaliger und ungeheuerlicher Vorgang!


Die furchtbare Zeit der Nazidiktatur, der Judenverfolgung und des verheerenden Zweiten Weltkriegs begann. Wahlen zum Gemeindeausschuss gab es keine mehr. Sozialdemokraten und andere mussten sich und ihre Ansichten und Überzeugungen im Ort verstecken und um ihre körperliche Unversehrtheit bangen. Mitglieder jüdischer Familien wurden diskriminiert, verfolgt, vertrieben, deportiert oder getötet.
Wer mehr über die Geschehnisse in den letzten Kriegstagen 1945 in unserem Ort wissen will, der möge die bewegenden Zeitzeugenberichte in Heft 17 der “Ritterhuder Hefte“ lesen.
Diese Zeit, die niemals wieder kommen darf, war zwölf Jahre lang ein Albtraum für die Ideen von Würde, sozialer Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Frieden und Verständigung